Warum es hier so still geworden ist

Moin liebe Freunde,

Vielleicht habt ihr euch schon darüber gewundert, dass es hier so still geworden ist .

Ich verrate euch den Grund gerne. Ich habe ein Buch geschrieben. Im Jahr 2024 wird mein erstes Buch erscheinen. Wahnsinn, oder? Das alles ist unglaublich aufregend, aber eben auch zeitraubend.

Mein Buch ist ein Unterhaltungsroman. Den Inhalt darf ich noch nicht verraten, na ja jedenfalls nicht im Detail. Es geht grob gesagt um meinen Hund Finley und mich. Ist es ein Hundebuch? Eigentlich nicht wirklich, na vielleicht auch ein Bisschen. Es menschelt in diesem Buch extrem. Denn wenn man sich einen Hund anschafft, dann erfährt man mehr über Menschen, als man jemals wissen wollte. „Meine Mutter“ und „meine Schwiegermutter“ haben ihren Auftritt. Meine Nachbarin Frau Nörgel ist dabei und noch viele weitere Personen, die wir auf unserem gemeinsamen Weg kennenlernen mussten/durften. Mehr darf ich noch nicht verraten. Das macht aber nichts, sonst ginge ja die ganze Spannung flöten, oder?😇

Das Buch wird im Minerva Verlag erscheinen. Ich halte euch hier über den Erscheinungstermin auf dem Laufenden.

„Um die Hecke gebracht“

von Kristina Hortenbach

Als wir unser Haus kauften und einen Sitzplatz in unserem verwilderten Garten einrichten wollten, fanden wir beim Aufgraben eine Pappschachtel mit einem skelettierten Hund. Ich habe damals nicht lange nachgedacht und habe den toten Hund an einem anderen Platz in unserem Garten wieder beerdigt. Nachdem ich Kristina Hortenbachs Buch „Um die Hecke gebracht“ gelesen habe, frage ich mich, ob mir da eventuell eine spannende Geschichte durch die Lappen gegangen ist. 

„Um die Hecke gebracht“ ist eine dringende Empfehlung von mir an alle Freunde des Cosy-Krimis. Wer wie ich, die Krimis von Agatha Christie liebt, liegt mit diesem Buch genau richtig. Protagonistin ist die ehemalige Lehrerin Rosalinde Reich, Rosa genannt. Im vorzeitigen Ruhestand, entschließt sie sich die Gärtnerei ihrer Eltern weiter zu führen und auszubauen. Als sie ihren ersten Auftrag bekommt, sie soll einen Schlossgarten bei Bonn neu anlegen, gräbt sie einen skelettierten Löwen aus. Ein toter Löwe in Bonn? Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Rosa lässt das keine Ruhe, sie will das Rätsel um den toten Löwen lösen. Und wie hängt diese Geschichte aus der Vergangenheit mit den aktuellen Morden in ihrem Heimatort zusammen?

Als ich anfing zu lesen, habe ich erst einmal alles andere ausgeblendet. Denn „Um die Hecke gebracht“ ist auf eine unaufgeregte, sehr entspannte Art, fesselnd. Dieses Buch hat einfach alles, was es für einen Cosy-Krimi braucht. 

Da ist Rosa, eine hartnäckige, schlaue, durchaus noch attraktive, aber manchmal auch etwas schrullige Hobby-Detektivin. Unterstützung bekommt sie von ihrem jungen Neffen, der ihr über die Hürden unserer digitalen Welt hinweghilft. Dann hat sie zwei Verehrer, einen aus ihrem alten Leben und den anderen aus ihrem Neuen. 

Ihre charakterstarke Familie unterstützt sie beim Aufbau ihrer Gärtnerei und holt sie bei ihren Ermittlungen auch mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Dann ist da noch der in den Mordfällen ermittelnde Beamte, ein ehemaliger Schüler Rosas. Er ist ständig hin- und hergerissen zwischen der Solidarität mit seiner ehemaligen Lehrerin und seinen sehr eng gefassten Vorschriften.

Die Autorin hat dieses Buch nicht nur spannend geschrieben, sondern auch mit viel Humor. Und so ganz nebenbei lässt sie ihr umfangreiches Wissen über Gartengestaltung und Gartenarbeit ins Geschehen einfließen. Das ist neu und gefällt mir sehr. 

Kristina Hortenbach ist es gelungen, ein paar neue, serienverdächtige Figuren zu schaffen, von denen ich mich nicht mehr trennen möchte. Sie gehören in mein Bücherregal, genauso wie Miss Marple und Hercule Poirot. Ich kann es kaum noch abwarten, bis der zweite Teil dieser Garten-Krimiserie im Mai erscheint.

Foto: Ivan Cerezo

Kristina Hortenbach wurde 1969 in Bonn geboren, wo sie auch ziemlich lange studierte. Durch ein Volontariat landete sie beim Südwestrundfunk in Baden-Württemberg. Als »Frl. v. Hochtenbach« brachte sie den Hörern Schwäbisch bei. Seit vielen Jahren ist sie als Promireporterin für Radio und Fernsehen unterwegs und jeden Freitag in der TV-Sendung »Kaffee oder Tee« zu sehen. Seit ihrer ersten selbst gezogenen Möhre im Reihenhausgarten liebt sie alles, was wächst und blüht. Obwohl sie eher die grüne Faust hat, begleiten sie seit Jahren ein Olivenbaum, ein Oleander und ein Hibiskus.

Nomaden der Ozeane

Das Geheimnis der Meeresschildkröten

Das Leben unter Wasser übte auf mich schon immer eine große Faszination aus.

Um dieses Buch zu verstehen, muss man selber nicht über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen. Die Meeresbiologin Frauke Bagusche beschreibt das Leben der Meeresschildkröten so, dass es auch ein interessierter Laie gut verstehen kann. Man merkt, dass die Autorin sich ihrem Beruf mit Haut und Haaren verschrieben hat.

Die Meeresschildkröten gehören heute, durch Fischfang, Verunreinigung der Ozeane und der baulichen Erschließung ihrer Niststrände, zu den stark bedrohten Arten. Wenn man dieses Buch gelesen hat, versteht man, warum es sich lohnt für die Erhaltung dieser unter Wasser lebenden Kreaturen und somit für die Vielfalt des Unterwasserlebens, einzustehen. 

Ein interessantes und lehrreiches Buch. Im Buch findet man zahlreiche Illustrationen, Karten und eindrucksvolle Farbfotos, die uns Lesern einen reizvollen Blick auf diese Meeresbewohner gestatten. 

Minna, intensiv, berührend, unterhaltsam

Kopf hoch, Schultern zurück

Dieser Roman hat mich vom ersten Wort an in seinen Bann gezogen. Nachdem ich angefangen hatte es zu lesen, konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Schon mal vorab: „Minna“ ist eine dringende Leseempfehlung für euch.

„Minna“ erzählt aus einer Zeit, in der Frauen noch sehr eingeschränkt in ihren Rechten auf ein selbstbestimmtes Leben waren. Sie konnten vor allem eines, etwas aushalten. 

Erzählt wird die Lebensgeschichte der Großmutter der Autorin. 

Die zum Teil erfundenen, aber auch die authentischen Lebensläufe hat Felicitas Fuchs geschickt eingewoben in Geschehnisse, die historisch gesehen, tatsächlich stattgefunden haben. Wir erfahren viel über den Niedergang der Weimarer Republik, aber auch über das Aufkeimen nationalsozialistischen Gedankenguts, bis hin zu den Perversitäten des Nationalsozialismus.

Was Felicitas Fuchs in ihrem Buch vermittelt, geht weit über das allgemeine Schulwissen über diese Dinge hinaus. Die Art und Weise, wie die Autorin schildert, welche Folgen politische Ereignisse für die einzelnen Personen im Roman hatten, wissend, dass das für einige der Figuren eine gelebte Realität gewesen ist, hat mich in meinem emotionalen Epizentrum getroffen. Ich habe mit den Frauen des Romans gelitten, geweint und ich konnte mich mit ihnen freuen. Dieses Buch mit professioneller Distanz zu lesen, war mir schier unmöglich. Es ist ein Buch, dass man fühlt.

Auf jeden Fall hat dieser Roman meine Perspektive auf meine eigene Familiengeschichte verändert. Dafür bin ich sehr dankbar. Das Lesen dieses Buches hat mich veranlasst, selbst einmal in der Vergangenheit meiner Ahnen nachzuforschen. Man versteht so viel mehr, wenn man mehr weiß.

Mein Fazit: Eines der besten Bücher, dass ich in letzter Zeit gelesen habe. Ich freue mich schon sehr auf „Hanne“, den zweiten Teil.

Eine kleine Info habe ich zum Schluss noch für euch. Hinter dem Pseudonym Felicitas Fuchs versteckt sich die Bestsellerautorin Carla Berling. Wenn ihr also schon Carla-Berling-Fans seid, habt ihr mit diesem Roman die Gelegenheit eine ganz andere Seite eurer Lieblingsautorin zu entdecken.

Bülent Rambichler und der verliebte Bulle

Na, Servus! Das war ja mal ein unterhaltsamer Kriminalroman. 

Kommissar Bülent Rambichler hat es nicht leicht. Er hat Liebeskummer, seine Ex-Noch-Freundin ist auf esoterischen Abwegen, seine Mutter und sein Vater erleben ein Liebescomeback und nicht zu vergessen die schrulligen Bewohner seines Heimatortes, denen es nicht im Traum einfallen würde, sich aus seinen Ermittlungen herauszuhalten. Genau, da war doch noch was. Ein Mord. Mitten im Karnevalstrubel haut es die Dorflehrerin um.

Dieser Roman lebt vom fränkischen Lokalkollorit. Anja Bogner schreibt mit viel Humor und viel Liebe zur fränkischen Lebensart. Die Dialoge sind im Dialekt geschrieben, sind aber selbst für so ein Nordlicht wie mich gut zu verstehen. Als kleinen Leserservice gibt es am Ende des Buches ein Glossar, Fränkisch für den Hausgebrauch.

Immerhin weiß ich jetzt, dass Babberdeggl das fränkische Wort für Pappkarton ist.

Mir hat dieses Buch Lust auf die anderen zwei Bände der Bülent Rambichler Reihe gemacht. Die ideale Urlaubslektüre, ich kann es nur empfehlen.

Mit dem Rücken zur Wand

Roman nach einer wahren Geschichte von Hera Lind

Eine wahre Geschichte in einen Roman zu verpacken ist immer ein großes Risiko. Hera Lind ist das aber mit diesem Buch sehr gut gelungen. Das die Protagonistinnen sehr viel Leid ertragen haben und trotzdem immer wieder die Nähe zu dem brutalen, narzistischen Vater und Mann gesucht haben, war für mich nicht das Überraschende. Das habe ich auf vielen Gerichtsterminen als immer wiederkehrendes Phänomen beobachten können. Vielmehr hat mich die Tatsache überrascht, dass die Tochter sich ja schon für lange Zeit dem schädlichen Einfluss ihres Vaters entzogen hatte und eigentlich viele Wege hätte beschreiten können, ihr Erbe anzutreten, ohne sich ihrem Vater wieder auszuliefern.

Den Spannungsbogen bis zur Tat hat die Autorin facettenreich aufgebaut. Sie zeichnet ein bedrückend realistisches Bild einer Frau, die eine gewaltbelastete Kindheit durchlebt hatte und die sich auch als Erwachsene nicht aus dem inneren Gefängnis aus Angst und furchtbaren Erinnerungen befreien konnte.

Beim anschließenden Prozess schwächelt die Erzählung ein wenig. Das Urteil erscheint zuerst einmal gerecht. Ist man vom Fach und kennt die Rechtsprechung bei so gelagerten Fällen, erstaunt es jedoch ein wenig. Das Urteil für Marius ist ungewöhnlich hart für eine Ersttat und in Relation dazu fallen die Konsequenzen für Tochter und Freundin des „Opfers“ erstaunlich seicht aus. Hier hätte ich mir ein paar tiefer gehende Erklärungen zum Urteil gewünscht.

Der geschenkte Gaul Vol. 2

Angezogen sieht das besser aus

Die Band spielt “Señorita” von Luis Fonsi. Ich stehe auf einer rot ausgeleuchteten Bühne. Mein Outfit ist … mal was anderes. Ich trage einen wadenlangen, schwarzen Lackledermantel, dazu schwarze Socken. Meine ungekämmten Haare wehen im Luftkanal der Windmaschine, leichter Nebel steigt auf. „Gib mir deine besten Posen, das ist hot“, kräht Heidi Klum aus der Ferne.

Ich mache was mir Deutschlands lauteste Alarmsirene befohlen hat. Mit zwei gezielten Hüftschwüngen, bringe ich mich ans rechte Ende der Bühne, bleibe abrupt stehen und biege mein Kreuz soweit wie möglich nach hinten durch. Meine Rückenwirbel knirschen, ein jeher Schmerz durchzuckt mich, ich halte mir die Hand vor die Augen. „Das ist ja so authentisch“, kräht Heidi. Ja, danke du Henne, denke ich.

Mir ist es egal, was du über mich denkst. Ich denke über dich überhaupt nicht nach.

(Coco Chanel)

Dann tänzele ich zurück zur Bühnenmitte, dort gebe ich die niedliche Audrey Hepburn und lege mein Kinn auf meine darunter positionierten Handrücken, eine äußerst rückenfreundliche Pose. „Sehr elegant“, kommentiert Thomas H., Heidis Mitjuror, „du musst vielleicht noch etwas lasziver schauen, das wär’s doch.“ Na klar, denke ich, unbedingt!

Jetzt noch der Catwalk, davon hängt alles ab, ich weiß nur nicht mehr was. Also gebe ich alles. Locker in den Hüften, wegen der Socken ein wenig plattfüßig, schreite ich hoheitsvoll auf Heidi und Thomas H. zu. Vor ihnen bleibe ich stehen und warte auf mein Todesurteil. „Du weißt ja, es kann nur Eine geben…“, beginnt Heidi ihre einstudierte Rede, doch ich unterbreche sie. „Es tut mir leid, Heidi. ICH HABE HEUTE KEINEN GUTEN GESCHMACK FÜR DICH“, sage ich inbrünstig.

Luxus muß bequem sein, andernfalls ist er nicht Luxus.

(Coco Chanel)

Mit meinen letzten Worten reiße ich mir den Lackledermantel vom Leib und enthülle einen bunt geblümten, mit Leopardenmuster versetzten Volant-Albtraum. Heidi schreit spitz auf, zwei Kameramänner suchen das Weite und Thomas H. liegt ohnmächtig am Fuße seines Barhockers.

Ich wache schweißgebadet auf. Ausgelöst hat diesen Albtraum ein Geschenk meiner Mutter, ein Kleid. Wer mich kennt weiß, ich hasse Kleider. Sie stehen mir nicht. Das kümmert meine Mutter aber nicht, Bloginsider wissen das. Bitte, ich weiß, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Aber wenn meine Mutter ihr Füllhorn über mir ausschüttet, gerate ich oft an meine Grenzen.

Die allermutigste Handlung ist immer noch, selbst zu denken. Laut.

(Coco Chanel)

Ihr müsst wissen, wenn auch alles andere ein böser Traum gewesen war, den bunt geblümten, mit Leopardenmuster versetzten Albtraum gab es wirklich. Das kann Adolf Freiherr von Knigge doch so nicht gewollt haben. Ich habe meine Schränke voller „gut gemeinter“ Geschenke, die meine Mutter mit Leidenschaft fürs Kaufen, nicht fürs Schenken, besorgt hatte. 

Das „Geschenke machen“ ist für meine Mutter eher Zweckerfüllung und das in mehrfacher Hinsicht. Zuerst erfüllt sie damit natürlich ihre sozialen Pflichten. Gemeint sind die gesellschaftlichen Regeln, aufgestellt in den frühen 50ger Jahren. Niemand soll Adelheid Groth nachsagen können, sie vergesse Geburtstage, Jubiläen oder Festtage, auch wenn sie zu diesen nicht eingeladen war. 

Verschwende keine Zeit auf Mauern einzuschlagen, in der Hoffnung sie in eine Tür zu verwandeln. 

(Coco Chanel)

Und da liegt auch schon der Casus Knacksus. Geschenke geben ihr eine wundervolle Möglichkeit, nonverbale Botschaften an den Beschenkten auszusenden. In diesem Fall würde die Botschaft wohl so lauten: „Ihr habt ohne MICH gefeiert? Nehmt das! Ihr seid nur ein Präsent von eurem schlechten Gewissen entfernt.“

Gerade diese kleinen Seitenhiebe scheinen meiner Mutter das Leben erst lebenswert zu machen und wenn man sie dann auch noch exquisit in Glitzerpapier und Seidenschleifen einpacken kann, um so besser. Das Kleid, also eher meine Mutter, hielten mehrere Botschaften für mich parat. Mitteilungen, die sie in regelmäßigen Abständen, mit dem Sendungsbewusstsein eines analogen Newsletters, an mich übermittelte.

Ein gut geschnittenes Kleid steht jeder Frau. Punktum!

(Coco Chanel) 

Es folgt ein Exzerpt, mütterlicher Nachrichtencodes. Eine Frau, liebe Birgit ist erst eine Frau, wenn sie Kleider im Schrank hat und sie auch trägt. Mein Hinweis, dass es sehr selten Kleider geben würde, die zu meiner Größe, meinem Körper und nicht zuletzt auch zu meinem Wohlfühlgefühl passen würden, werden meistens harsch zur Seite gefegt.

„Dann müssen Wir es eben so lange versuchen, bis wir etwas Passendes finden. Du musst es probieren, ANGEZOGEN SIEHT DAS BESSER AUS“, ist einer meiner Favoriten aus ihrem Einwände-Repertoire. Begleitet wird diese Aussage von einem abschätzigen Blick, über meine etwas füllige Figur. In meinem Kopfkino entsteht ein Szenario, in dem ich durch Berge von Stoffballen wate und wimmere: „Neiiiin … bitte, bitte kein Leomuster … Oh Gott, bloß keine Flamingo-Ornamente … habt ihr denn nichts Einfarbiges???“ Kurz, ich habe nein gesagt zu diesem Kleid, was für meine Mutter einer Majestätsbeleidigung gleichkam. Schließlich ist Adelheit Groth so etwas wie die Coco Chanel des Hamburger Nordostens.

Die Reaktion folgte auf dem Fuße. „Du weißt ja gar nicht, was zurzeit Mode ist“, begann sie ihren Monolog. Dieses Kleid sei ein Designerkleid. Diese neue Designerin konnte von ihrem präferierten Shoppingsender gaaanz neu gewonnen werden, die Frau habe Jahrelang die Moderatorinnen von RTL ausgestattet. 

Lebenskunst ist die Kunst des richtigen Weglassens.

Das fängt beim Reden an und endet beim Dekolleté.

(Coco Chanel)

Da stand ich nun und hätte nachgeben können. Ich hätte einfach danke sagen können, den Klump einpacken und bei der nächsten Altkleidersammlung entsorgen können. Aber ich war GENERVT! Und wenn ich genervt bin, bin ich in der Regel nicht mehr fähig, diplomatisch zu reagieren. 

Ich baute mich also in meiner vollen Rüschenpracht vor meiner Mutter auf und fragte sie: „HAST DU JEMALS, IRGENDEINE MODERATORIN VON RTL IN SO ETWAS GESEHEN???“ Meine Mutter runzelte die Stirn, sog hörbar empört die Luft ein, drehte sich um und verschwand, unverständliche Worte murmelnd, in ihrem Schlafzimmer. 

Es sind nicht die Erfolge, aus denen man lernt, sondern die Fiaskos.

(Coco Chanel) 

Kurze Zeit später kam sie zurück und sagte: „Dann werde ich dieses schöne Designerkleid wohl zurückschicken müssen.“ Ich antwortete: „Ja, das solltest du.“ Meine Mutter: „Kannst du das für mich erledigen?“ Ich antwortete: „Nein, das machst du bitte selber.“

Ihr könnt mich jetzt für grob halten, aber das Shoppingkanal-Shoppen hatte sich bei meiner Mutter in der Lockdown-Zeit zu einem richtigen Hobby entwickelt. Anfangs hatte ich die Retouren noch übernommen. Als ich das Gefühl bekam, meine Poststelle würde mich beim nächsten Besuch mit der goldenen Briefmarke von Montreux küren wollen, habe ich den Postbetrieb eingestellt. Aber das wird mit Sicherheit noch einmal eine andere Geschichte…

Der geschenkte Gaul Vol. 1

Der Süßigkeiten-Supergau

Ich weiß, ich weiß, der Volksmund sagt, einem geschenkten Gaul solle man nicht ins Maul schauen. So etwas tue man nicht, wenn man gut erzogen worden sei. Nun, ich bin gut und liebevoll erzogen worden, von meinem Vater und wenn irgendetwas doch nicht rund lief, war da ja noch meine Mutter, die mich in meine Schranken weisen konnte. „So etwas tut man nicht, sagt man nicht, denkt man nicht, runter damit!“

Mama

Du sollst doch nicht um deine Tochter weinen

(Heintje Simons, frei interpretiert)

Grundsätzlich versuche ich mich an diesen Grundsatz auch zu halten. In der Regel ist es ja so, dass der Schenkende mir eine Freude machen möchte, allein darüber freue ich mich. Für meine Mutter war das Schenken immer ein kleiner Wettkampf. Wer hat das größte, das teuerste Geschenk, die aufwendigste Verpackung? Nun stand Ostern an und sie trat wieder einmal gegen den Osterhasen an. Ich fragte mich bang, welche Leckereien mich dieses Jahr wohl in meinem Osterkörbchen erwarten würden.

Versteht mich nicht falsch, Süßigkeiten sind etwas wundervoll Verführerisches. Doch wenn ich immer alles verzehren würde, was meine Mutter mir in mein Körbchen wirft, würde ich euch diesen Artikel aus der Ausnüchterungszelle der örtlichen Polizeiwache zukommen lassen müssen.

Irgendwo in fernen Zonen
Liegt ein wunderschönes Land,
Wo nur Sonntagskinder wohnen
Und das keinem sonst bekannt.

(Heintje Simons)

Jedes Jahr vor Weihnachten und Ostern legte meine Mutter uns einen Zettel vor, auf den wir schreiben durften, welche Süßigkeiten wir uns wünschten. Wir setzten uns brav an den Tisch und schrieben auf, mit welchen Leckereien sie uns glücklich machen konnte. 

Jedes Jahr, bekamen meine Mädchen und mein Mann genau das, worum sie sie gebeten hatten. Sie durften sich über Nougat, Schokolade, Spekulatius, Lebkuchen oder geröstete Mandeln freuen. Der Schwiegersohn durfte sich auf seine geliebten Zimtsterne und Linzer Kekse stürzen. Im Übrigen sind alles das Dinge, die ich auch gerne essen würde, was ich so auch schon mehrfach angemerkt hatte.

Mamatschi, schenke mir ein Pferdchen,
Ein Pferdchen wäre mein Paradies,
Mamatschi, solche Pferde wollt ich nicht! 

(Lys Assia/Franz Xaver Kappus 1938)

Ich hatte wirklich alles versucht, von blumigen Umschreibungen, über abfotografierte Bilder von Verpackungen aus dem Supermarkt, die ich dann ausgedruckt dem Zettel beilegte, bis hin zu der Bitte mir doch einfach gar nichts zum Naschen zu schenken. Jede meiner Bemühungen blieb erfolglos.

Vor diesem Osterfest hatte ich wirklich gedacht, ich könne meine Mutter austricksen. Ich schrieb, sie solle mir einfach dieselben Sachen schenken, die sie auch für meine Familie einkaufen würde. Hauptsache die Naschereien seien OHNE Alkohol.

RATET!!!

Richtig! Am Ende durfte ich zwei Schachteln Mon Cherie und eine Schachtel Weinbrandbohnen mein Eigen nennen. Skøl Miss Sophie … same procedure. Ich saß also da, starrte stumpf auf die geballte Portion Promille. „Willst du nicht mal probieren“, fragte meine Mutter ungeduldig. „Nein danke, ich hänge an meinem Führerschein“, antwortete ich gleichmütig. 

Take it easy, baby.

(Birgits Inneres Ooohhmmm, täglich)

Mein Inneres Ooohhmmm hatte derweil den Cocktailshaker rausgeholt und begann damit, Chrushed Ice zu produzieren. „Ach was“, sagte meine Mutter unwirsch, „von dem Bisschen wirst du doch nicht duun.“ Mein Inneres Ooohhmmm tanzte vor Freude im Baströckchen und mixte mir den ersten „Highway to Hell“. Cardriver-Version, natürlich.

Mit diesen Worten bewies sie mir zum wiederholten Male, wie wenig sie mich doch kannte. Ich gehörte nämlich leider nicht zu den Menschen, die sich stolz das Prädikat „Trinkfest“ auf die Brust pinnen durften. Schon in meiner Studentenzeit, war ich immer die Fahrerin. Also diejenige, die ihre haubitzenvollen Kumpels und Kumpelinen nach Hause kutschieren durfte. 

Meiner Feierlaune hatte die Tatsache, dass ich nichts trinken durfte, nie Abbruch getan. Ein, zwei, na vielleicht auch dreimal hatte ich mich nicht an mein Credo gehalten. An eine Begebenheit kann ich mich sogar noch erinnern. Ich zog mit meiner Studienkollegin Katharina durch die Bars der Stadt, bis wir in einem Laden namens „Gestern und Heute“ landeten. Dort tranken wir einen Turbo-Tequila* nach dem anderen. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich hatte das Gefühl, nach jedem getrunkenen Glas nüchterner als vorher zu werden.

It’s another tequila sunrise
Starin‘ slowly ‚cross the sky

(Eagles)

Ich glaube, wir haben auch gesungen, was Jochen und Michael aus München auf uns aufmerksam machte. Oder waren es Jürgen und Martin? Ach egal, die Münchner setzten sich zu uns und wir kamen ins Gespräch. Die dem Nord-Süd-Gefälle geschuldeten Sprachbarrieren wurden mit Tequila beiseite gespült. Irgendwie kann ich mich noch schemenhaft daran erinnern, dass wir an die See fahren wollten und mir wurde später erzählt, ich sei gefahren (alles verjährt!). 

Das Nächste, an das ich mich erinnern kann war, dass ich im Morgengrauen in einem Strandkorb wach wurde. Oh, diese Aussicht werde ich niemals vergessen. Ich hatte freie Sicht auf Katharinas nackten Hintern und sah zu, wie sie sich mit dem auch splitterfasernackten JochenJürgen johlend in die eiskalte Ostsee stürzte. Was ich bei JochenJürgen zu sehen bekam, läuft angesichts der kühlen Temperaturen unter „awkward Facts“. Eine Beschreibung dessen erspare ich euch.

Sunrise, sunrise
Looks like mornin‘ in your eyes

(Norah Jones)

Irritiert schaute ich an mir herunter und stellte erleichtert fest, dass ich angezogen war. Ich hielt Ausschau nach MichaelMartin. Der lag, nicht weit entfernt von mir, in einer Sandburg, auch angezogen wohlgemerkt. Er schlief wie ein Baby. Ich ging, noch etwas unsicher auf den Füßen, rüber zu ihm, rüttelte ein bisschen an seiner Schulter und sagte: „Naaaaha, ausgeschlafen?“ MichaelMartin rührte sich nicht. Ich klatschte in die Hände. Nichts. Ich beugte mich über ihn und rief: „Frühstück ist fertig!!!!“ Wieder nichts.

Langsam wurde mir klar, ich hatte MichaelMartin unter den Tisch gesoffen. Schon damals recht krimiaffin, zog ich mit einem Stock eine Linie um meine Schnapsleiche und garnierte das Ganze noch mit ein paar Muscheln. Tatortstyle. Danach ging ich zurück in meinen Strandkorb und dämmerte noch ein wenig vor mich hin. 

Kurz gesagt, die große Liebe ist es nicht geworden damals, weder mit JochenJürgen, noch mit MichaelMartin. Wir eskortierten die zwei Münchner zum örtlichen Bahnhof. Dann verbrachten Katharina und ich fast den ganzen Tag am Strand und gefühlte 30 große Kaffepötte später wagte ich mich wieder ans Steuer und wir fuhren nach Hause.

Doch zurück zu meiner Mutter, die von dieser Geschichte nichts weiß, also bitte Pssssst!

Mama
Und bringt das Leben mir auch Kummer und Schmerz
Dann denk ich nur an dich

(Heintje Simons, frei interpretiert)

Das mit dem Alkohol war irgendwie immer schon ihr Ding gewesen. Selber abstinent, schenkte sie mir zu allen Festtagen, an die ich mich erinnern kann, den obligatorischen Kasten Mon Cherie. Stellt euch eine Siebenjährige vor, die an Weihnachten angeschickert auf dem Sofa sitzt, das Gesicht rot angelaufen wie eine Tomate, mit einem Bluthochdruck, der einem diabetischen 90jährigen alle Ehre gemacht hätte. Spätestens zum Kaffeetrinken, sackte ich nach einem kurzen Blick auf Muttis selbstgemachte Mandarinentorte zur Seite und machte ein Nickerchen.

Aber Heidschi Bumbeidschi es schlafen,
Am Himmel die Schäflein, die braven.

(Heintje Simons, frei interpretiert)

Irgendwann intervenierten mein Vater und meine Großeltern. Das war für mich der erste Moment, an dem ich wahrnahm, dass mit diesem Geschenk irgendetwas nicht in Ordnung war. Hatte meine Mutter mich doch immer animiert, ordentlich zuzulangen. Meine Omi klärte mich dann auf, Alkohol sei nichts für Kinder. Ich solle, so meine Oma, die Pralinen das nächste Mal einfach stehen lassen, egal was meine Mutter dazu sagen würde. 

Dann nahm sie meine Mutter zur Seite und die Beiden hatten eine hitzige Diskussion in der Küche. So wütend hatte ich meine Großmutter vorher noch nie gesehen. An diesem Abend blieb ich nicht zuhause. Meine Großeltern packten mich ein und ich verbrachte die restlichen Weihnachtstage und die Weihnachtsferien bei Oma und Opa.

Wenn wir alle Sonntagskinder wär’n
Würde uns das Glück der Welt gehör’n.

(Heintje Simons)

Als Kind hatte ich mich noch überreden lassen, die Kirschpralinen zu essen. Als Erwachsene tat ich das nicht mehr. Meine Strategie war nicht sehr mutig, aber wirksam. Ich steckte das Zeug einfach lächelnd ein und warf es Zuhause sofort in den Mülleimer. Das ersparte mir unliebsame Diskussionen und ich blieb nüchtern.

Dazu war ich dieses Jahr nicht mehr bereit. Ich stellte die Schwips-Pralinen in Muttis Küche und sagte: „Ich lasse die einfach mal hier bei dir. Das ist purer Alkohol, Gift für meinen Blutdruck. Du willst ja sicherlich nicht, dass mir etwas passiert.“ Ihre Lippen wurden schmal, über ihrer Oberlippe vertieften sich die Fältchen. Die Augen meiner Kinder ruhten gespannt auf ihrer Großmutter. „Nein natürlich nicht, was denkst du denn von mir? Dann schenke ich die eben Frau Vogt von nebenan, DIE freut sich darüber.“

Ich lächelte aufmunternd und dachte, na klar, bring doch einfach deine herzkranke Nachbarin um die Ecke. Und sagte: „Mach das mal, Mutti.“ „Tja“, antwortete meine Mutter, „nun hast du ja gar nichts zum Naschen. Das geht auch nicht. Ich bringe dir was mit, wenn ich nächste Woche bei euch vorbeischaue. Was möchtest du denn jetzt?“

Ich schloss ganz kurz meine Augen und sagte inbrünstig: „Obst, Mama, kauf mir Obst.“ Und nun dürfen wir alle sehr gespannt sein…

Turbo-Tequila*

Tequila in ein kurzes stabiles Becherglas gießen. Mit eisgekühltem Sekt aufgießen. Einen Bierdeckel auf das Glas legen. Das Glas einmal kräftig auf den Tisch klopfen, damit der Sekt aufschäumt. Dann möglichst in einem Zug austrinken. Und niemals nicht Auto fahren, nachdem man das getrunken hat!

Brunnenstrasse

Ein Roman von Andrea Sawatzki

+++unbezahlte Werbung+++

Cover: Piper Verlag

Manchmal ist es schwer einem Buch in einer Rezension gerecht zu werden. Bei Andrea Sawatzkis neuem Roman „Brunnenstrasse“ ist das so. Dieses Buch ist so voll gepackt mit Emotionen, dass es eine Untertreibung wäre, würde ich nur sagen, es habe mein Herz und meine Seele berührt. Es hat mich hinweggeschwemmt und hat mich an Orte treiben lassen, die ich eigentlich nicht mehr besuchen wollte. Das ich es trotzdem tat war gut, weil es mir gezeigt hat, dass es Probleme gibt, vor denen man nicht wegrennen kann, egal wie lange man es versucht. Dieses Buch ist ebenso wundervoll, wie es eine Herausforderung für seine Leser*innen ist.

Nachdem ich den Roman „Brunnenstrasse“ gelesen hatte, war es vor allem ein ganzer Schwall unsortierter Adjektive, die mir in den Sinn kamen. Worte wie schonungslos, brutal, rigoros, erbarmungslos, mitleidlos, zornig, bedrückend, unerbittlich, direkt, unprätentiös, schmerzvoll und rabiat kamen mir in den Sinn. Gleichzeitig ist dieser Roman aber auch berührend, aufwühlend, emotional, ergreifend, bewegend und vor allem sehr, sehr ehrlich geschrieben.

Was die Autorin Andrea Sawatzki da geschafft hat, musste ein unglaublicher Kraftakt für sie gewesen sein. Denn sie beschreibt dort ihre eigene Kindheit, in einer dysfunktionalen Umgebung. Die Autorin schildert die Ereignisse aus der Perspektive ihres vulnerablen 14 Jahre jungen Ichs. Ihre Schilderungen sind eine Gratwanderung zwischen Vorwürfen gegen die Eltern, gegen sich selbst und der großen Liebe für die Mutter und dem Schmerz des zutiefst enttäuschten Wunsches des Mädchens, vom Vater geliebt und akzeptiert zu werden.

Manchmal hat sie mich überrascht, die Härte mit der Andrea Sawatzki mit sich selbst ins Gericht gegangen ist. Und dies, obwohl sie an den Geschehnissen zuhause weder schuld gewesen ist, noch die Macht hatte die Gegebenheiten zu ändern. Sie war ein Kind, sie hätte geschützt werden müssen. Die Verantwortung, die sie zu tragen hatte, wäre für die meisten Erwachsenen zu viel gewesen. Ich hätte diesem Kind gern Trost gespendet, ihr gesagt, dass ihr Zorn berechtigt, ihr Schmerz echt ist und dass es in Ordnung ist, wenn man unter diesen Umständen auch negative Gefühle den Eltern gegenüber hegt.

FAZIT:

Als ich das Buch durchgelesen hatte, musste ich erst einmal durchatmen. Ich hatte den Eindruck, dass der Roman an einem Punkt stoppte, an dem die eigentliche Reise, die Verarbeitung des Erlebten, für die Autorin Andrea Sawatzki erst angefangen hatte. Man möchte wissen, wie es diesem Kind ergangen ist, wie aus diesem 14jährigen Mädchen, dem so viel widerfahren war, eine erfolgreiche Schauspielerin und Autorin werden konnte.

Eigentlich schreit „Brunnenstrasse“ nach einer Fortsetzung. Da das aber wohl wieder eine große Kraftanstrengung für die Autorin wäre, scheue ich mich, diese Fortsetzung als Leserin einfach so einzufordern. Also formuliere ich es anders. Ich hoffe sehr, dass das 14jährige Mädchen aus dem Buch das Erlebte verarbeitet und verkraftet hat. Wenn Andrea Sawatzki es für richtig hielte, eine Fortsetzung zu schreiben, wäre ich eine der Ersten, die auch dieses Buch lesen würde. „Wann immer Sie soweit sind, liebe Frau Sawatzki.“

Der Roman „Brunnenstrasse“ ist im Piper Verlag erschienen. Wenn ich euer Interesse geweckt habe und ihr das Buch kaufen möchtet, klickt einfach HIER , dann landet ihr direkt beim Buch.

Die Autorin

Andrea Sawatzki, geboren 1963, gehört zu den bekanntesten deutschen Film- und Fernsehschauspielerinnen. Nach ihrem Spiegel-Bestseller „Ein allzu braves Mädchen“ erschien die turbulente Weihnachtskomödie „Tief durchatmen, die Familie kommt“. Mit „Von Erholung war nie die Rede“, „Ihr seid natürlich eingeladen“, „Andere machen das beruflich“ und „Woanders ist es auch nicht ruhiger“ veröffentlichte sie mittlerweile vier weitere Bücher um die Familie Bundschuh. Alle fünf Bände wurden mit Andrea Sawatzki, Axel Milberg und anderen für das ZDF verfilmt. Andrea Sawatzki lebt mit ihrem Mann, dem Schauspieler und Autor Christian Berkel, ihren gemeinsamen zwei Söhnen und einem Hund in Berlin. (Quelle: Piper Verlag)

Tschüss 2021 … ein Rückblick aufs Vorstadtleben

Foto: pixaby

Das Jahr 2021 geht endet und trotz der vielen Einschränkungen ist hier in meiner Vorstadt nach wie vor viel los. Deshalb gibt es dieses Mal keine lange Geschichte, sondern ein paar Episoden aus den letzten Monaten.

Zum Anfang etwas Positives

Ich habe wirklich Glück mit meinen Kunden und es wird Zeit, auch das einmal zu erwähnen. Das Training um die wechselnden Corona-Regeln herum zu organisieren ist gar nicht immer so unkompliziert. Bei mir und meinen derzeitigen Kunden hat das problemlos geklappt und dafür bin ich sehr dankbar.

Die Kehrseite


Manchmal läuft es aber schon von Anfang an schief. So wie neulich, als ich eine Mail über das Kontaktformular meiner Website bekam, in der relativ schmucklos stand: „Bitte rufen sie mich am Montag einmal zurück. Gruß Frau XY“. Das Problem war, dass in dieser Mail keine Telefonnummer angeben war. 

Also antwortete ich per Mail zurück: „Liebe Frau XY, ich rufe sie gerne am Montag an. Bitte schreiben sie mir doch noch unter welcher Telefonnummer ich sie erreichen kann. Wenn sie Lust haben, schreiben sie mir schon einmal, wie ihr Problem mit ihrem Hund aussieht.“

Sag beim Abschied leise Servus

(Hans Moser)

Kurz darauf schrieb mir Frau XY zurück: „Also ich habe eine Geheimnummer, die ich nicht so gerne herausgebe. Rufen sie mich bitte an, dann kann ich sehen, ob die Chemie zwischen uns stimmt und ich ihnen trauen kann. Danach besprechen wir alles Weitere.“

Ich war ratlos, so viele Komplikationen, bevor man auch nur ein einziges Wort miteinander gesprochen hatte? Also traf ich die Entscheidung der Frau, die ich nicht kannte und nicht anrufen konnte abzusagen, ohne vorher je eine Zusage für irgendetwas gegeben zu haben.

Sachen gibt es …

Dann war da noch die Dame, die mir am Telefon mitteilte, dass sie ihren Hund allein erziehen könne, von mir aber eine schriftliche Bescheinigung haben wolle, um diese dann ihren Vermieter vorlegen zu können. Ohne diese Bescheinigung, dürfe der Hund nicht in der Wohnung verbleiben und das könne ich ja wohl nicht wollen. An dieser Stelle sollte ich wohl noch mitteilen, dass mir diese Frau völlig fremd war.

Ich sagte ihr, dass ich so eine Bescheinigung nur ausstellen könne, wenn sie auch tatsächlich Unterricht bei mir nehmen würde. Das wollte sie aber nicht. Dann diktierte sie mir, ohne lange zu fackeln, ihre Adresse durchs Handy.
Als ich ihr sagte, dass ich ihr nicht nur keine Bescheinigung ausstellen würde, sondern ihr nun auch obendrein unter keinen Umständen Unterricht geben würde, fing sie an mich wüst zu beschimpfen. Ich habe dann einfach aufgelegt … Sachen gibt es …

Pssst, nicht meiner Tochter verraten

Meine Oma hat immer gesagt, Missverständnisse würden das Leben interessanter machen. Manchmal allerdings, na ja… Einmal bin ich morgens im Sommer, gedankenversunken und noch etwas müde unsere Treppe hinunter gegangen und hörte meine Tochter Motte in der Küche sprechen. Sie klang verärgert, deshalb blieb ich auf der untersten Stufe stehen. „Du hältst jetzt still, an deinem Ei kleben richtige Dreckklumpen, die putze ich jetzt weg“, sagte sie in scharfem Ton. 

Es sei mir verziehen, aber Motte hatte seit kurzem einen neuen Freund, wir dadurch manchmal einen Hausgast und mein ermüdetes Gehirn ging deshalb ein paar gedankliche Umwege, die ich vorher noch niemandem mitgeteilt habe. In der Küche? Muss das denn sein? Hier wohnen noch andere Leute? Ich will DAS nicht sehen…

Es hatte ein bisschen gedauert, bis mir klar wurde, dass Finley, unser Hund, das einzige Lebewesen mit nur einem Ei (hopefully) in diesem Hause war und ich mich straffrei in die Küche trauen konnte. Ich öffnete die Küchentür und schaute in das unschuldige Gesicht meiner Tochter, die unseren Hund nach einem Ausflug in den Komposthaufen sauber putzte.

Gestatten, Adelheid Groth … meine Mutter

Und dann ist da ja auch noch MEINE MUTTER, die immer einen scharfen Pfeil im Köcher hat. Ihr wisst ja inzwischen, dass die Küchengeräte meiner Mutter so etwas wie ein Eigenleben haben und immer dann kaputt gehen, wenn es mir am schlechtesten in den Plan passt. Im Herbst war es dann der Tiefkühlschrank, der von seinem Gewerkschaftsvertreter mitteilen ließ, dass er den Dienst quittieren würde.

Meine inzwischen 87 Jahre alte Mutter kommentierte den Ausfall ihres fast 20! Jahre alten Gerätes mit den Worten, die Technik wäre heute auch nicht mehr das, was sie früher einmal gewesen war, das sei heute alles Tineff. Einen entspannten Umgang mit der unbefriedigenden Küchensituation konnte ich wohl vergessen. Wir orderten also einen Techniker ins Haus, der sah sich das Gerät an. 

Handwerk braucht starke Nerven

„Also, ob ich für so ein altes Gerät noch Ersatzteile bekomme, kann ich ihnen nicht versprechen“, sagte er, für mich durchaus nachvollziehbar. 

Nicht für meine Mutter, denn was meine Mutter wollte, das bekam sie in der Regel auch. Und wenn nicht, dann würde sie diesem armen Mann die Hölle heiß machen, da war ich mir sicher. Die Augen meiner Mutter verengten sich zu kleinen Schlitzen. „Besser wäre es, sie würden es schaffen“, zischte sie zwischen ihren schmalen Lippen hervor. Sie saß da, wie Don Corleones kleine Schwester und sah aus, als habe sie die Exekution des Mannes schon längst angeordnet. 

Als ob das nicht schon genug gewesen wäre, deutete sie als nächstes auf die vor einem dreiviertel Jahr gekaufte Dunstabzugshaube und sagte: „Da müssen sie auch etwas machen. Ich bekomme den Filter nicht heraus.“
Der nette Techniker sah sich das Dilemma an und antwortete ihr: „Kein Wunder, da haben die Monteure ein Brett unter der Vorrichtung angebracht. Das ist Pfusch…“

In diesem Moment seufzte mein inneres Oooohhhmm laut auf und holte die Klangschale aus dem Instrumentenschrank. Von dem Drama um diese Dunstabzugshaube hatte ich ja schon früher berichtet, die Texte findet ihr HIER und HIER.

Tausche alt gegen neu

„Ich sag ihnen was“, wandte sich die Frau, die behauptete meine Mutter zu sein an den Mann. Offensichtlich hatte sich all die Jahre die Seele eines Schwarzmarkthändlers in ihr versteckt gehalten, denn sie sagte als nächstes: „Ich kaufe eine neue Dunstabzugshaube bei ihnen und gebe ihnen die Alte für 200 Euro mit. Dann können wir das gegenrechnen.“

Mein inneres Ooohhhmm hatte seine Klangschale bis zum Rand mit Wasser gefüllt und versuchte sich vor Scham darinnen zu ertränken. So wie es aussieht, hält das Leben in Zukunft noch mindestens eine Dunstabzugshauben-Geschichte für mich bereit.

Guten Rutsch, bleibt gesund

Weihnachten feierten wir dann ohne meine Mutter, was aber nichts mit ihren Küchengeräten zu tun hat. Das erzähle ich euch beim nächsten Mal und werde dabei kein grausames Detail auslassen, versprochen.

Jetzt wünsche ich euch allen einen guten Rutsch und ein wunderbares und gesundes neues Jahr. Vielen Dank, dass ihr nun schon so lange meine treuen Leser seid. Ich werde für euch weiterschreiben, mit Wonne, mit Galgenhumor, Herzblut und viel Fantasie.